27.01.-03.02.1995 ~~~ Mallorca – wer verbindet den Namen der Insel nicht mit Begriffen wie Ballermann, Sangria aus Eimern, „Putzfraueninsel“, kurz: Massentourismus? Und erwartet Hotelburgen, überfüllte Strände und laute Nächte? Nun, das alles kann man haben, wenn man während der Sommermonate auf die Insel fliegt und Quartier in den Urlauberhochburgen rund um die Hauptstadt Palma de Mallorca oder den nördlichen Ferienorten wie bspw. C’an Picafort nimmt. Es geht aber auch anders, und diese andere Art, Urlaub zu machen und Mallorca wegen Land und Leuten zu besuchen, habe ich im Winter 1995 mit Margrit praktiziert. Abseits der Hotelansammlungen, weitab des prallen Lebens, hatten wir uns im Südosten Mallorcas in der Nähe von Felanitx eine Finca bei S’Horta ausgesucht. Zwar auch über einen grossen Reiseunternehmer, jedoch liessen Prospekt und Landkarte Ruhe und Einsamkeit erahnen. So starteten wir dann am Freitag zu nachtschlafender Zeit vom Flughafen Tegel und erreichten nach rund 2 ½ Stunden Flug den Aeropuerto de Son San Juán nahe Palma de Mallorca. Am Mietwagenschalter liessen wir uns die Schlüssel für unseren weissen Ford Fiesta geben, der uns nun eine Woche und rund 1.400 km über die Insel fahren sollte. Unweit des Flughafens liegt an der Bucht von Palma El Arenal, der Ferienort schlechthin, und an den Strassenrändern grüssen uns Lokalitäten wie das „Braustübel“, „Hofbräuhaus“ und andere Absurditäten unter balearischer Sonne. Einige Rentner flanieren über die Gehwege. Schnell verliessen wir diese Zivilisation und folgten der Küstenstrasse. Margrit, die vor rund 20 Jahren schon einmal auf Mallorca war, dirigierte uns zu den Ruinen „Talayot“ bei Capocorp. Hierbei handelt es sich um Behausungen und Kultstätten, die aus der Zeit um 1.500 v.Chr. stammen. Es sind jedoch nur noch einzelne Grundmauern und Sandwälle zu erkennen, da spätere Generationen die gewaltigen, ohne Mörtel zusammen gefügten Steinblöcke teilweise abtrugen und ihrerseits als Baumaterial nutzten.
Ein erster Ausflug am Nachmittag führte uns hinunter an die Küste nach Cala Marsal, welches an einer kleinen Bucht liegt. In den Hotel- und Appartementvierteln herrschte absolute Ruhe, Restaurants und Geschäfte waren geschlossen. Weiter unten am Hafen fanden wir aber einige Läden, auch einen Supermercado, wo wir uns mit Wasser, Wein und Keksen versorgten. Hier konnte ich Wiedersehen feiern mit Sangre de Tore, dem Rotwein, der mir schon auf Lanzarote geschmeckt hatte. Mallorquinische Weine sind recht selten in den Geschäften zu entdecken, doch konnten wir sie dann Abend für Abend auf unserer Finca genießen. Den ersten Sonnenuntergang erlebten wir von einem kleinen Strand aus an der Punta de Ses Crestas auf der anderen Seite der Bucht. Im letzten Tageslicht erreichten wir wieder unsere Finca. Unseren ursprünglichen Plan, abends außerhalb zu essen, gaben wir ob der geschlossenen Lokale schnell auf und vertrauten uns der einheimischen Küche unserer Finca an, die uns am ersten Abend Schweinefleisch und Kohlrouladen servierte.
Nachdem wir wieder das Tageslicht erblickt hatten, bummelten wir noch ein wenig durch die Hafenstadt Porto Cristo, wo es einige typische Souvenirgeschäfte gibt. Dann ging es weiter nach Cala Ratjada. Auch dieser Urlaubsort lag noch im Winterschlaf: Die Ausflugsboote lagen aufgebockt im Hafen, Fischernetze waren zum Flicken ausgebreitet und in den Straßen herrschte gähnende Leere. Ein größeres Restaurant hatte geöffnet und dort liessen wir uns zu unserem ersten Mittagsmahl auf Mallorca nieder. Am Cabo Capdepera besichtigten wir den Faro (Leuchtturm) und machten einen Abstecher in den Küstenort Cala Mesquida, der jetzt im Winter wie tot zwischen den Dünen lag, ehe wir wieder ins Landesinnere zurückfuhren. In Artá liefen wir durch die Stadt und erklommen die Stufen hinauf zur Wallfahrtskirche San Salvador. Doch dann wurde es für mich als leidenschaftliche Autofahrerin erst richtig interessant, als wir die 9 km lange Strasse zur Ermita de Betlem einschlugen. Wie viele Einsiedeleien auf Mallorca liegt auch diese auf einem kleinen Berg und nahe genug am Meer, um einen tollen Ausblick auf die Bucht von Alcudia und bis hinüber zum Cabo Formentor zu bieten. Die Strasse hinauf schlängelt sich in zahlreichen Serpentinen durch karge Landschaft, doch immer wieder säumten blühende Ginsterbüsche den Strassenrand. Am nächsten Tag starteten wir früh zu einer weiteren Inselerkundung und fuhren über quer übers Land durch Felanitx, Porreras, Montuiri und Sineu nach Inca. Hinter Selva beginnen die ersten Serpentinen, die uns in die Berge führten. Bald erreichten wir den Abzweig nach La Calobra und folgten der Strasse, die ihren Namen „die Schlange“ zu Recht trägt, hinunter zur Cala de la Calobra. Zahlreiche Serpentinen schlängeln sich die Abhänge hinunter und einmal überquert die Strasse sich selber. Südlich von uns erhebt sich der Puig Mayor, mit 1.443 m der höchste Berg der Insel. Bei den Casas de la Calobra, einer um diese Jahreszeit fast ausgestorbenen Ansammlung von mehreren Restaurants am kleinen Hafen, liessen wir unser Auto stehen und wanderten zu Fuss hinüber zum Torrente de Parrais, einer tiefen Schlucht, die ins Meer mündet. Der Zugang führt teilweise durch einen Tunnel in den Felsen, bis man plötzlich auf dem Kiesstrand in der Schlucht mit dem ausgetrockneten Fluss steht. Auch rückzu mussten wir wieder die aufregende la Calobra fahren, die an einer Stelle auch durch einen schmalen Felsenspalt führt. Da stellte ich mir vor, wie das im Sommer bei Hochbetrieb hier zugehen möge, und war wieder einmal froh, im Winter unterwegs zu sein! Wobei die Temperaturen teilweise auch jetzt auf bis zu angenehme 20° anstiegen. Am Puig Mayor vorbei fuhren wir nun
weiter gen Südwesten, passierten die Stauseen Embalse de Gorg Blau
und Embalse de Cúber und hielten kurz am Mirador Ses Barques, von
wo wir Porto Sóller unter uns liegen sahen. Einige spannende Kurven
später erreichten wir die hübsche kleine Hafenstadt. Über den Col de Sóller, Buñola, Orient und Alaró erreichten wir nach weiter äusserst kurvenreicher Fahrt wieder die Ebene bei Inca und kamen schon im Dunkeln wieder auf unserer Finca an. Zur Erholung nach der grossen Tour am Vortag stand heute nur ein kleiner Trip auf dem Programm. Bei Felanitx besichtigen wir die auf einem Berg liegende, über weitere Serpentinen zu erreichende Ermita San Salvador. Mittlerweile hatten wir ja Übung im Kurvenfahren! Auch von hier oben ist der Blick wieder sagenhaft und reicht bis weit über die Insel und zum Meer. Das strahlende Sonnenwetter tat sein übriges dazu. Anschliessend besichtigten wir in Felanitx die alte Kirche San Miguel mit ihrer grossen Freitreppe. Überall in der Stadt entdeckten wir auch interessante Details wie kleine Fliesenarbeiten, die an den Hauswänden angebracht sind. Gegen Mittag fuhren wir hinunter nach Cala d’Or, einem weiteren Touristenort, der jetzt fast tot war. Fast alle Hotels und Restaurants waren geschlossen, Handwerker überall zugange, der Weg zum Strand hinunter schwierig zu finden. Nach einem kleinen Mittagessen in einem geöffneten Restaurant verbrachten wir den Nachmittag mit Faulenzen auf der Finca, um uns für neue Touren zu erholen. Zum Abendessen konnten wir die typisch malloquinische Küche in der Finca geniessen. Natürlich darf bei einem Mallorcaurlaub
ein Besuch der Hauptstadt Palma nicht fehlen.
Den Abschluss unserer heutigen Tour bildete ein Abstecher zum Cabo de Cala Figuera und durch Magelluf, wo ebenso wie in den benachbarten Küstenorten Hotel an Hotel steht. Erst an Puerto de Andraitx fanden wir wieder Gefallen. Über Andraitx, Palma und die Autobahn gings dann wieder zurück in unseren ruhigen Südosten.
Auf dem Weg zum einige Kilometer weiter nördlich liegenden Deià besichtigten wir noch das alte Herrenhaus des österreichischen Erzherzogs Ludwig Salvators, Son Marroig. Beneidenswert, welch einen Ausblick der alte Herr von seinem Landsitz aus dem 16. Jahrhundert hatte .... Deià selber wurde in den letzten Jahren von immer mehr Künstlern entdeckt und besiedelt, es ist ein hübsches Bergdorf. Weiterhin unternahmen wir einige Abstecher auf kleinen Strassen hinunter an die Küste, jede für sich fahrens- und sehenswert und dank des geringen Autoverkehrs um diese Jahreszeit auch problemlos zu bewältigen. Auf dem Rückweg wählten wir noch einmal die Route über den Col de Sóller, der landschaftlich natürlich viel schöner ist als der zur Zeit unserer Reise im Bau befindliche Autotunnel! An unserem letzten Tag, der leider nicht so schön sonnig wie die vorangegangenen war, zog es uns noch einmal ans andere Ende der Insel in den Norden zum Cabo Formentor, das jeder Mallorcatourist besucht haben sollte und wo im Sommer sicher auch der Bär steppt. Wir erreichten über Manacor, Petra und Santa Margelida C’an Picafort, einen weiteren verwaisten Ferienort. Nur wenige Touristen überwiegend im Rentenalter spazierten an den geschlossenen Läden vorbei zum Strand. Immer wieder drängen sich mir Vergleiche zu Lanzarote auf, das ich ja auch in der Nebensaison besucht habe, dort gibt es solche toten Orte und hässlichen Hotelburgen nicht, im Vergleich der touristischen Einrichtungen gewinnt klar die Vulkaninsel! Landschaftlich jedoch sind beide Inseln überhaupt nicht zu vergleichen und jede für sich sehenswert.
Bevor wir zu unserer Finca und unsern zu packenden Koffern zurück kehrten, besuchten wir noch das Herrenhaus Els Calderes zwischen Montuiri und Vilafranca de Bonany, das nun als Museum dem interessierten Besucher das Landleben der Adligen vor ca. 250 Jahren präsentiert. Die Wohn- und Arbeitsräume sowie die Küche, Werkstätten und Stallungen des Gutes sind zu besichtigen. In der Küche wurden kleine Proben mallorquinischer Spezialitäten angeboten, an denen wir uns mangels Mittagessen schadlos hielten. Nach diesem Abstecher ging es dann aber zurück zur Finca. Am nächsten Morgen fuhren wir nach herzlichem Abschied von unserer Wirtin Encarna zum Flughafen und verliessen bald darauf die Insel. Mallorca ist auf jeden Fall einen Besuch wert, nur sollte man sich dafür unbedingt eine ruhige Zeit und eine ruhige Gegend aussuchen, um den Touristenströmen aus dem Weg zu gehen. Im Januar 1995 ist uns das sehr gut gelungen und wir konnten die Schönheiten der Insel geniessen. Wie das alles 8 Jahre später aussieht, kann ich leider nicht sagen und nur hoffen, dass für Nicht-Ballermänner auch heute noch die Möglichkeit besteht, die Insel von ihrer schönen Seite kennenzulernen! Aristo
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